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Wanderung auf dem GR 20 durch Korsika
Juni 2014
© Bilder und Text Klaus Goerschel
Teilstrecke 1
Conca - Bergerie Tolla, Tattone
9 Wandertage, 128 km
Ankunft in Conca
Ursprünglich wollte ich in Calenzana starten, aber die dortige Bergberatung riet mir zum jetzigen Zeitpunkt davon ab, weil die 4. Und 7. Etappe gesperrt seien. Statt auf die Freigabe am 16. Juni zu warten, entschied ich mich meine Wanderung auf dem GR 20 im Süden zu beginnen. Also fuhr ich am gleichen Tag mit dem Auto von Calvi, Campingplatz Dolce Vita, nach Conca.
Gegen 15.30 Uhr sprach ich in der Gite d´etape von Conca wegen Unterkunft und Parkmöglichkeit für mein Auto vor. Freie Betten gab es nicht mehr aber ich konnte Zelten und das Auto für 2 EUR pro Tag parken.
Mit einem guten Abendbrot am Auto und sorgfältigem Packen des Rucksackes beschloss ich den Tag. Irgendwie war mir beklommen zumute. War es der schwere Rucksack, den ich fürchtete oder die große Hitze? Hatte ich auch an alles gedacht, genug Wasser und Essen eingeplant? War der GR 20 wirklich so hart und so schön wie sein Ruf? Ich fieberte dem morgigen Tag entgegen.
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1. Wandertag 13 km
Freitag 6.6. Conca - Refuge d´i Paliri
5 Uhr morgens aufgestanden, ganz leise mein Zelt und die anderen Sachen zusammengepackt und ein Müsli gefrühstückt.
6.45 Uhr marschierte ich los. Es war ein klarer frischer Morgen mit blauem Himmel, Schleierwolken und Sonnenschein.
Sofort hinter Conca ging es stramm bergauf. Sehr langsam, Schritt für Schritt versuchte ich mein Tempo zu finden. Noch fiel es mir leicht, aber zum ersten Mal kam mir die Ahnung, dass 13 km auf steinigen Pfaden in den Bergen doch eine gewaltige Strecke sind. Als ich den Col d´Usciolu, 587 m, erreichte, warf ich meinen 20 kg Rucksack ab und legte eine längere Rast ein. Jetzt merkte ich, dass meine Laufkondition, durch das Paddeln gelitten hatte, aber ich war guter Dinge, dies in den nächsten Tagen wieder aufzuholen.
Von den Bavella Bergen hatte ich schon viele Fotos gesehen. Als sie dann aber vor mir auftauchten, die berühmten rot gezackten Felsen, war ich tief beeindruckt. Es erinnerte mich an vulkanisches Magma aus dem Innern unseres Planeten.
Es ging dann an einem leicht bewaldeten Hang entlang und talabwärts bis zu einem kleinen Fluss.
Der folgende Aufstieg war sehr mühsam. Die Sonne brannte und der Rucksack begann zu schmerzen. An einer Kehre konnte ich dann sehen, wie Wanderer sich in einigen Badegumpen vergnügten. Noch weiter in der Höhe hörte ich, wie sie mächtige Jubelschreie und Jauchzer ausstießen.
Währenddessen zollte ich der Hitze, dem Gewicht des Rucksacks und meinem Trainingsrückstand ordentlich Tribut. Immer öfter legte ich eine kleine Pause ein. Steffen und Sarah, Vater und Tochter, die ich auf der Gite d´etape Conca kennengelernt hatte, marschierten, den Blick unverwandt auf den Boden gerichtet, an mir vorbei. Auch sie hatten mit der Hitze zu kämpfen.
Langsam und immer langsamer arbeitete ich mich auf dem Trail voran. Jeden kleinen Schatten nutzte ich aus, jedes Mal warf ich den Rucksack ab, jedes Mal wurden die Pausen länger. Letztlich erreichte ich die Paliri Hütte erst gegen18 Uhr. Steffen war schon in Sorge und fragte was geschehen sei. Meine Kondition sei schlechter als ich dachte, sagte ich ihm. Er zeigte Verständnis und wir bestellten das abendliche Hüttenmenü, mit einem Nudelgericht als Hauptgang.
Da es in der Hütte nicht genügend Betten gab, mussten die meisten Wanderer in Zelten schlafen, meist auf schrägem Boden. Die Quelle war 300 m entfernt von der Hütte und sanitäre Anlagen im eigentlichen Sinne fand ich nicht. Nach dem Waschen hieß es für mich ab ins Zelt. In dieser Nacht schlief ich wie ein Stein.
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2. Wandertag 5 km
Sonnabend 7.6. Refuge d´i Paliri – Col de Bavella
6.45 Uhr raus aus dem Schlafsack und gleich gepackt. Für heute plante ich im Angesicht der gestrigen Mühsal nur 5 km bis zum Col de Bavella zu laufen. Es war Test und Schonung zugleich, denn ich war überzeugt, dass ich in ein paar Tagen wieder meine gewohnte Form haben würde.
8.30 brach ich auf. Es ging mir schon wieder erstaunlich gut. Trotzdem wanderte ich langsam und achtete auf gleichmäßige Bewegungen.
Der Pfad war oft glatt wie ein Waldweg, die hohen Pinien warfen wohltuenden Schatten und klares Quellwasser sprudelte durch die Gesteinsbrocken.
Zum Finosa Pass hinauf, 1206 m, lief ich langsam aber stetig, ohne mich zu sehr anzustrengen, verbrauchte aber auch die doppelte Zeit.
Es ging dann noch einmal steil bergab bis zu einer Flussfurt und gleich darauf 200 m ebenso steil bergauf zum Col de Bavella.
Auf dem allseits als schön gerühmten Bavella Pass kam ich 12.30 Uhr an und war gleich mittendrin im großen Touristenrummel.
In der Gite d´etape bekam ich tatsächlich ein Bett ohne Reservierung. Ich kochte mir von meinen Vorräten eine gute Mahlzeit und Nachmittags wanderte ich zum Parkplatz bei der Marienstatue. Nur hier hatte man Handyempfang.
Ich suchte den Beginn meiner morgigenEtappe und entschied mich für die Normalroute und gegen die Überquerung der Bavella Gipfel. Diese Variante des GR 20
wäre wohl zum jetzigen Zeitpunkt eine zu große Herausforderung, sagte ich mir.
Am Abend herrschte auf dem Col de Bavella große Ruhe. Die Touristen waren wieder gegangen und die GR 20 Wanderer hatten hier nur Pause gemacht und waren zur Asinau Hütte weiter marschiert. Bei einem Pierta Bier genoss ich die abendliche Stille und freute mich auf die nächste Etappe. |
3. Wandertag 11 km
Sonntag 8.6. Col de Bavella - Refuge d´Asinau
5 Uhr aufgestanden. Bereits 6 Uhr losmarschiert, da ich schon gestern Abend alles gepackt und sogar das Müsli-Frühstück auf dem Teller vorbereitet hatte.
Es war ein herrlich kühler Morgen. Bevor der Pfad rechts in den Wald einbog konnte ich noch einmal über die sanften Berge im Nordosten schauen, die jetzt im milden Licht der Morgensonne lagen.
Anfangs war der Weg steinig und teilweise unangenehm zu laufen. Aber je mehr ich die auslaufenden Felsen des Bavella verließ, desto häufiger wurde der GR 20 zum glatten Waldpfad, auf dem man gut vorankam.
Äußerst angenehm war es auch, dass ich die ersten 2 Stunden entweder im Schatten des Bavella Massivs oder im Schatten eines hohen Pinienwaldes lief.
Auch war es eine Wohltat, dass es immer wieder kleine Bäche und Quellen mit herrlich kühlem Wasser gab. Wo es mir sauber erschien, schöpfte ich mit den Händen und stillte meinen Durst. Als besonders angenehm empfand ich es, mein Gesicht und besonders die Stirn mit Wasser zu kühlen.
Am späten Vormittag führte mich der Trail am linken Hangufer des Asinau Tales nach Norden. Der Wald zog sich zurück und ich hatte eine gute Sicht auf den lang auslaufenden Berggrat des Incudine. Die Hänge dieses Berges waren nur spärlich bewachsen. Die Sonne glühte den Hang aus und ich war froh, dass sich auf meiner Hangseite immer mal wieder Wald ausbreitete.
Der Anstieg zur Hütte in der Mittagshitze war furchtbar anstrengend. So erreichte ich erst 15.30 Uhr die Refuge d´Asinau.
Da ich nicht ein Bett vorbestellt hatte, wurde ich angewiesen mein Zelt in der Nähe der Hütte aufzubauen. Den Platz konnte ich mir aussuchen. Ich fand ziemlich schnell noch eine kleine freie Fläche, in die ich mein Zelt hinein zirkelte. Für den Zeltplatz im Gelände musste man 7 EUR zahlen. Unglaublich wie schnell sich der Hang füllte. Von allen Seiten fielen sie ein und genau wie ich, bekamen sie kein Bett, sondern mussten ihr Zelt aufbauen. In kürzester Zeit war jeder einigermaßen mögliche Platz belegt, selbst wenn er für meine Begriffe zum Schlafen zu schräg war.
Ich hatte für heute abend ein Menü bestellt und bewegte mich zur Hütte. Kurz vor 18 Uhr trat der Wirt auf die Veranda und schrie lauthals den Namen der angemeldeten Esser auf den Hang hinaus. Mich rief er auch überlaut „Kau,“ obwohl ich fast neben ihm stand.
Wir saßen zu sechst am Tisch. Ich war der einzige Deutsche. Es ging auch gleich zügig zur Sache. 1. Gang Schinken und Wurstscheiben aus Korsika. 2. Gang Linsenpüree mit hineingeschnittenen Wurstscheiben. 3. Gang eine Käsescheibe. 4. Gang Apfelkompott.
Hoch zufrieden mit diesem Menü ging ich wieder an mein Zelt. Ein Wind war aufgekommen und mein Zelt flatterte lautstark. Ich leistete mir noch ein Pietra Bier für 6 EUR und legte mich frühzeitig zur Ruhe. Doch leider wurde ich nachts, durch grunzende Schweine, bellende Hunde und Menschen geweckt, die über meine Abspannleinen stolperten. Nun war ich endlich von der Beliebtheit des GR 20 überzeugt. |
4. Wandertag 14 km
Montag 9.6. Refuge d´Asinau – Hinterland Matalza
Als ich 5 Uhr morgens aufstand, herrschte bereits eine unglaubliche Betriebsamkeit auf dem Hang. Schon gestern abend wurde von der ersten Königsetappe gesprochen. Sie wollten alle so früh wie möglich aufbrechen, denn der Weg nach Norden war lang und der Tag versprach, sehr heiß zu werden. Ohne rechts und links zu gucken packte ich alles zusammen, frühstückte auch ein wenig und stieg 6 Uhr hinter der Hütte auf den GR 20 .
Der Pfad schlängelte sich erst mäßig ansteigend gen Westen, bevor er dann ziemlich steil in nordwestlicher Richtung den Hang hinauf führte. Ich merkte gleich, dass es bei mir gut lief. Trotzdem bewegte ich mich sehr langsam und gleichmäßig, um meinen Rhythmus zu finden.
Die morgendliche Kälte war ein Genuss. Ich schwitzte nicht und die Sonne war noch erträglich. Trotz meiner langsamen Gangart kam ich gut voran.
Nach 2 ¼ Stunden stand ich in 2025 m Höhe auf dem Pass. Ich suchte mir ein windstilles Plätzchen, um noch etwas zu frühstücken. Im Stillen jubelte ich und war glücklich, dass der Aufstieg so gut geklappt hatte.
Gegen 9 Uhr brach ich wieder auf und folgte dem neuen Weg nach Westen hinunter in eine weite geschwungene Tallandschaft. Es gab Senken mit Restschnee aber auch Wegabschnitte die dicht mit Erlengestrüpp bewachsen waren, durch das man sich regelrecht durchkämpfen musste. Ansonsten war der Pfad leicht zu laufen. Der Wind war stärker geworden, aber kühl geblieben und die Sonne strahlte in voller Kraft aus dem tief blauen Himmel.
Gegen 13 Uhr erreichte ich die Matalza Hütte. Dort roch es verlockend nach gutem Essen. War es Fisch oder gegrilltes Fleisch, ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls bestellte ich einen Teller Essen und die Wirtin brachte mir einen Nudelteller garniert mit Tomaten, Melone und Schinken, über den ich mich auch gleich her machte.
Eigentlich hatte ich vor, in Matalza zu übernachten, aber der touristische Rummel störte mich gewaltig. So entschied ich mich, weiter zur Basetta Hütte zu wandern. Aber dort waren die Zeltplätze eine Zumutung und die Betten waren alle schon belegt. Ich ging weiter, wohl wissend, dass ich für diese Nacht kein Refugium mehr antreffen werde.
Die Wanderung am Ufer der Ruissea war so schön, dass ich beschloss, bei nächster Gelegenheit wild zu zelten. Am Fluss selbst war es ungünstig, aber eine Strecke weiter, auf einer Anhöhe, fand ich zwischen Steinen gegen 17 Uhr ein ebenes Plätzchen, auf dem ich unter freiem Himmel schlafen konnte. Offiziell ist das wild campen nicht erlaubt, aber es gibt Ausnahmen und die trafen im weitesten Sinne auf mich zu. .
Hier richtete ich mich häuslich ein und hoffte, dass mich nicht die allgegenwärtigen wild herum laufenden Schweine oder Kühe aufstöbern würden. Nach dem gestrigen Rummel um die Asinau Hütte, genoss ich jetzt die Ruhe und Einsamkei meines kargen Biwaklagers. Bis in die Dunkelheit hinein saß ich auf einem Felsvorsprung und schaute auf die Lichter der Stadt Zicavo im Tal, bevor ich mich unter freiem Himmel in meinen Schlafsack wickelte. |
5. Wandertag 16 km
Dienstag 10.6. Hinterland Matalza/ Zicavo – Col de Laparo
Hier an dieser wilden Stelle hatte ich eine gute Nacht verbracht. Zwar blinzelte mir manchmal der Mond ins Gesicht und ein kräftiger Wind braust über mir durch die Wipfel, doch das störte mich alles nicht, Hauptsache es stolperte keiner über mich. Ich erhob mich 5 Uhr morgens und kurz nach 6 Uhr war ich bestens aufgelegt und froher Erwartung wieder auf den Beinen.
Nach einer halben Stunde ging es dann die Höhe hinauf auf den Ochiatu Pass, der den Einstieg zur Monda Bergkette bildet. Der GR 20 setzte seinen Weg hier größtenteils direkt auf dem Kamm fort, wobei es hin und wieder Kletterstellen bis zum 2. Grad gab. An einer dieser Stellen hatte eine größere Gruppe Franzosen Rast gemacht und als ich Anstalten machte den Fels hinunter zu klettern, warnten sie mich und boten ihre Hilfe an. Ich sah weiter kein Problem und war Ruck Zuck hinunter geklettert. Da beugten sie sich über den Felssims und winkten mir anerkennend zu.
So kleine Begebenheiten munterten mich auf und schon bald sah ich die große Hangmulde mit der Usciolu Hütte. Noch vor 12 Uhr treffe ich bei großer Hitze in dem Refugio ein. Auf die Frage nach einem Essen, forderte mich die resolute ältere Dame auf, ich solle mitkommen ins Warenlager.
Dieses Depot war außerordentlich reichhaltig ausgestattet. Die Dame meinte, dass es kein zweites Lager wie ihres auf dem GR 20 gäbe. Ich kaufte 2 Orangen, 1 Dose mexikanischen Salat, Zwieback, Käse und eine Tasse heißen Kaffee. Gleich an der Hütte aß ich den Salat, eine Orange und trank den Kaffee. Bei Anblick der Zeltwirtschaft grauste mir allerdings und ich fasste den Entschluss weiter zu wandern.
13 Uhr brach ich wieder auf und stieg langsam auf den Monte Furmicula, 1981 m. Es war die Zeit der größten Mittagshitze. Aber ich hatte mich wohl jetzt daran gewöhnt, denn obwohl die Felsen in der Sonne glühten und auch einige knifflige Kletterstellen zu überwinden waren, kam ich gut voran.
Der Abstieg kam mir sehr lang vor und erforderte auch Vorsicht. Mir war klar, dass ich heute wieder wild zelten würde. Da war von einer Hütte die Rede, die an ihrer Ostseite einen Schlauch haben sollte, aus dem man Wasser zapfen könne. Ich war gespannt. Und als dann plötzlich ein Wegweiser mit „Source“ erschien, wusste ich, dies war die Hütte.
Voller Erwartung bog ich in den Weg ein und tatsächlich, da stand die Hütte. Sie gefiel mir auf Anhieb gut. Also schaute ich gleich mal nach dem Schlauch und dem Wasser. Aber welch eine Enttäuschung, es gab zwar jede Menge Schläuche und allem Anschein nach hatte es hier auch Wasser gegeben, aber jetzt waren die Schläuche herausgerissen und führten ins Leere. Ich konnte suchen und gucken was ich wollte, es war kein Wasser zu finden.
Ziemlich frustriert wendete ich mich ab. Jetzt galt es Wasser zu sparen. Dabei hatte ich mächtigen Durst und wollte ursprünglich auch noch eine ordentliche Mahlzeit kochen. Das entfiel und es gab nur staubtrockenen Zwieback mit Käse und ab und zu einen Schluck Wasser.
Während sich die Dämmerung nieder senkte, leuchteten von der Ostküste her die ersten Lichter zu mir herauf. Ich bereitete meine Schlafstatt auf dem Boden der Veranda. Was für ein herrlicher Standort, dachte ich und während ein warmer Wind mich umfächelte, schlief ich ein. |
6. Wandertag 14 km
Mittwoch 11.6. Col de Laparo – Col de Verde
Erst 5.30 Uhr aufgewacht. Sofort aufgestanden und das Morgenrot über dem Meer bewundert! 6.30 schultere ich den Rucksack und breche gut erholt und bester Stimmung auf.
Mein Rucksack war auch merkbar leichter geworden. Wasser hatte ich höchstens noch einen halben Liter und auch meine Essensvorräte waren geschrumpft. Ich schritt kräftig aus und war auf den Col de Laparo gespannt, der so oft auch als Platz für ein Notbiwak gepriesen wird.
Der Col de Laparo bot tatsächlich mehrere Stellen zum biwakieren an. Ich hielt mich nicht lange auf und nahm die 500 m Aufstieg zur Capella Passage Schritt für Schritt in Angriff. Der Rapari Pass, 1614 m, lag so schön in der Morgensonne, dass ich mich hier belohnt fühlte. Das gab mir weiter großen Elan und so stieg ich in immer unwegsameres Felsgelände. Die Sonne stieg höher, die Felsen wurden steiler und anstrengender und so allmählich spürte ich, dass ich gestern Abend zu wenig gegessen hatte. Letztlich quälte ich mich von einem Pass zum anderen hoch.
11 Uhr hatte ich die Punta Capella erreicht und konnte in der Ferne schon das grüne Dach der Prati Hütte schimmern sehen. Noch 1 ¼ ‚Stunde musste ich steigen, klettern und absteigen, ehe ich die Prati Hütte erreichte.
Die Hütte selbst sagte mir so wenig zu, dass ich sogar vergaß, ein Foto aus der Nähe zu schießen.
Also Trinkwasserflaschen neu auffüllen und weiter ging es. Es war erst 12.30 Uhr und so war ich mir sicher, den Col de Verde noch im Laufe des frühen Nachmittags zu erreichen. Im Wanderführer waren 550 m Abstieg angegeben.
Von der Prati Hütte ging es erst noch zum wenig höher gelegenen Oru Pass, 1840 m, hinauf, von dem aus ich eine wunderschöne Sicht in die korsischen Hochberge hatte.
Der Abstieg war nicht schwer aber sehr langwierig und führte meist durch schattigen Wald.
14.30 war ich endlich auf dem Col de Verde. Mein Zelt musste ich in unwegsamem Waldgelände aufbauen.
Im Restaurant kaufte ich guten Ziegenkäse und eine harte korsische Salami. 1 kg Trockenpflaumen, die aber alles andere als trocken waren, reizten mich gewaltig, so dass ich sie trotz ihres hohen Gewichtes erstand.
Ansonsten herrschte hier Hochbetrieb.
Die Waschanlage mit den 3 Wasserhähnen ist total überfüllt, sodass die Menschen Schlange stehen und warten. Vor den Toiletten reihe ich mich nicht in die Schlange, sondern schlage mich gleich in den Wald. Mein Brot mit der Wurst bekomme ich nur mit viel Wasser hinunter. Das Handy kann ich nicht aufladen und den Sonnenuntergang kann ich nicht erleben, weil wir im dichten Wald hocken. Aber es gibt auch Gutes zu berichten. Das Gewitter hatte sich verzogen und so genieße ich trotz der wilden Schreierei aus dem Restaurant mein Pietra Bier und falle anschließend in einen tiefen Schlaf. |
7. Wandertag 23 km
Donnerstag 12.6. Col de Verde – Bergerie Alzeta
Morgens 5 Uhr aufgestanden.
6.45 Uhr ging ich zum Restaurant hoch. Hier herrschte Hochbetrieb. Ich holte mir eine Tasse starken Kaffee.
7.30 Uhr brach ich gut gestärkt Richtung Refuge Capannelle auf.
Der GR 20 windet sich durch einen Wald ziemlich direkt nach Westen. Ein junges Paar vor mir war flott unterwegs. Ich ergriff die Chance und ließ mich in einigem Abstand von ihnen „ziehen“. Viel zu sehen gab es hier sowieso nicht und so war ich zufrieden schnell voran zu kommen.
Am Lischetto Bach legte ich eine Pause ein. Zufällig rastete hier eine Familie, die aus Deutschland, genauer gesagt aus Biberach kam.
Während des Laufens unterhielten wir uns angeregt über Biberach und das besondere Hobby, das Fliegen im eigenen Flugzeug. So flogen die Kilometer und die Zeit dahin und ehe ich mich versah, waren wir 12.30 Uhr im Refuge Capannelle.
Hier bestellte ich einen Charkuterie Teller, d.h. Wurst- und Schinkensorten aus Korsika mit Brot und ein Pietra Bier und ließ es mir richtig gut schmecken.
13.30 Uhr war allgemeine Aufbruchsstimmung und auch für mich war klar, dass ich den Tag hier noch nicht hier beschließen, sondern in etwas langsamerem Tempo, bei dem ich auch wieder mehr fotografieren konnte als bisher, Richtung Vizzavona weiter wandern wollte.
Wir verabschiedeten uns herzlich und wünschten uns viel Glück.
Ich lief dann noch ganz gemütlich ohne große Höhenunterschiede bis zur Bergerie Alzeta. An jeder Quelle rastete ich und kühlte mich mit dem frischen Wasser ab. Auch fielen mir noch einige Pferde auf, die hier in freier Natur lebten. Sie waren dürr wie Schindmähren. Der Teller der Natur war also nicht so reichlich gedeckt, wie man vermuten könnte.
An der Alzetebergerie gefiel es mir so gut, dass ich beschloss, hier die Nacht zu verbringen. Vor allem auch weil es hier eine kleine aber feine Quelle gab.
Nach einem schönen Sonnenuntergang legte ich mich unter freiem Himmel zum Schlafen nieder. Hoffentlich regnet es nicht, waren meine letzten Gedanken bevor ich ins Reich der Träume fiel. |
8. Wandertag 8 km
Freitag, 13.6. Bergerie Alzeta – Vizzavona
In dieser Nacht wurde es schon kurz nach Sonnenuntergang überraschend kalt. Auch senkte sich starker Tau auf meinen Schlafsack nieder. Um Mitternacht herum musste ich aufstehen, um etwas gegen die Nässe und die Kälte zu tun. Ich zerrte das Zelt aus dem Beutel und breitete es über mich aus wie eine Decke.
Auch 4 Uhr war es noch bitter kalt und da ich gestern meine Sachen gewaschen hatte, musste ich nun in die halbnassen Kleider schlüpfen. Kein Vergnügen. Erst 5.45 Uhr schulterte ich meinen Rucksack und verließ ohne Frühstück die Bergerie. Ich hoffte gegen 8 Uhr in Vizzavona zu sein und dort in Ruhe frühstücken zu können.
Bis zur Palmente Quelle kam ich bestens voran. Ich hatte von hier aus einen schönen Blick auf den Monte d´Oro, 2389 m.
Im Hangwald nach Vizzavona hinunter hatte ich große Probleme dem Trail zu folgen. Oft verschwanden die Markierungen und ich verlor viel Zeit, den Weg wieder zu finden. Erst gegen 9 Uhr war ich in Vizzavona am Bahnhof.
Es war sehr heiß. Das Restaurant lag direkt am Bahnhof und entsprach fast haargenau dem, was ich mir auf dem Weg hierher erträumt hatte. Einen gemütlichen Platz im Schatten mit Blick auf den Bahnhof und seine Umgebung. Ich bestellte einen doppelten Kaffee und ein Schinken- Sandwich. Meine Sachen waren inzwischen getrocknet und ich hatte nicht die geringste Eile hier wegzukommen.
Doch dann gegen 10 Uhr machte ich mich wieder auf den Weg. An der Gite d´etape vorbei auf dem GR 20 zu den englischen Wasserfällen. Hier war der Weg beim besten Willen nicht zu verfehlen, denn es waren unglaublich viele Menschen unterwegs. Die Wasserfälle sind tatsächlich sehenswert. Kaskaden, Felsrutschen, Badegumpen, alles war sehr schön und ich wäre am liebsten auch in das Wasser gesprungen.
Obwohl ich gut voran kam und der Rucksack seinen Schrecken verloren hatte, entschloss ich mich in der Nähe von Vizzavona in einer Herberge zu übernachten. Dort gab es auch ein gutes Restaurant, in dem ich mir einen korsischen Wurstteller mit einem großen Bier gönnte.
Als es dann nachmittags gewitterte mit wolkenbruchartigem Regen war ich froh ein Dach über dem Kopf zu haben. Am Abend wurde es wieder schön und ich studierte die Karte. Ein Franzose gab mir einige Tipps für den 1000 m Anstieg morgen zur Onda Hütte. Die wichtigsten sind:
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Gut essen
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Gut ausruhen
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Beim Laufen ruhig und konzentriert
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Pausen machen und essen
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6 Uhr losmarschieren
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Auch mal ab und zu sich Zeit lassen
Es war gut, so etwas noch einmal eindringlich zu hören.
Auch riet er mir dringend, übermorgen auf keinen Fall den kürzeren Weg über das Gebirge zu nehmen. "Im Tal hast du genug Wasser und Schatten".
Ich machte mir noch ein kräftiges Abendbrot und um 21 Uhr ging es ab ins Bett, gemäß Punkt zwei der Ratschläge des Franzosen. Aber ehrlich gesagt, vor den 1000 Metern Anstieg hinauf zum Muratello Pass hatte ich den allergrößten Respekt. Ich schlief mit dem Gedanken ein, morgen so ruhig und gleichmäßig wie möglich den Pass zu besteigen. |
9. Wandertag 18 km + 6 km
Sonnabend 14.6. Vizzavona – Bergerie Tolla – Canaglia (Tattone)
Wie geplant verließ ich 6 Uhr die Herberge. Langsam und sehr aufmerksam stieg ich in dem Tal des Agnone auf den Steinbrocken aufwärts. Als die Baumgrenze erreicht war, wurde es steiler. Zuletzt kurz vor der Passhöhe Muratello in fast 2000 m Höhe war ein kräfteraubendes Steinfeld und Felsplatten zu überwinden.
Doch als ich dann 10.30 Uhr den Pass, 2064 m, erreichte, da erschien mir der Aufstieg nicht so ungeheuer schwer wie vorher von aller Welt angekündigt.
Der Abstieg war nicht zu steil und führte letztlich bis zur Refuge dé l´Onda, 1385 m, hinunter. Ich erreichte sie 12 Uhr. Um diese Zeit zählte ich auf dem eingezäunten Zeltgelände schon knapp 50 Zelte. Ich hätte wetten wollen, dass heute abend hier mindestens 100 Zelte zusammengepfercht stehen. Das war für mich Anlass genug, zur Piana Hütte weiter zu wandern, und zwar gemäß dem Ratschlag des Franzosen nicht über den Berg sondern im Tal.
Bevor ich mich aber auf den Weg machte, bestellte ich noch einen Salatteller „Cruditee“, der mir sehr gut schmeckte. Ich blieb noch etwas länger sitzen, um das Fluidum der Hütte zu genießen. Aber es strömten immer mehr Menschen in den kleinen Raum. Schließlich verließ ich die Stätte, schulterte meinen Rucksack und wanderte 13 Uhr zur Piana Hütte weiter.
Mittlerweile waren der blaue Himmel und die Sonne verschwunden. Wolken waren aufgezogen und die Landschaft leuchtete nicht mehr. Fast 3 km ging es am sprudelnden Grottaccia Fluss entlang, bis man ihn dann über eine Brücke nach Norden queren musste. Einen guten Kilometer weiter tauchte dann in einem kleinen grünen Tal die Bergerie Tolla auf.
Hier waren viele Leute versammelt, die etwas tranken und auch Käse kauften. Aber plötzlich fielen dicke Regentropfen aus der grauen Wolkendecke. Das nahm keiner richtig ernst. Doch im Laufe von 10 Minuten steigerte sich der Regen zu einem schweren Gewitter. Vom Himmel goss es wie mit ausgeschütteten Eimern. Sofort rannten alle in die Bergerie hinein. Ein Belgier, der dort arbeitete sagte lauthals, dass es nun endlich beginne, das Unwetter, mit dem er schon den ganzen Tag gerechnet hatte und das sich auch die nächsten 3 Tage hier halten würde. Gestern war jemand von der Piana Hütte gekommen mit der Botschaft, der Wasserfall sei unpassierbar geworden.
Wir saßen in der Falle. Es war fatal, keiner wollte in den Regen hinaus und schon gar nicht den Berg hinauf und vor dem Wasserfall wieder umkehren. Ich wartete noch bis 17 Uhr. Als es nicht mehr so heftig regnete, lief ich mit dem Patron der Bergerie nach Canaglia. Dort stand sein Auto und er nahm mich nach Tattone zum Refuge Chez Pinoccio mit.
Ich war einerseits froh eine Unterkunft gefunden zu haben, andererseits auch etwas deprimiert über das schlechte Wetter. Wie es wirklich weiter gehen sollte, wollte ich morgen früh entscheiden.
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Unterbrechung wegen Unwetter
Am nächsten Tag regnete es immer noch in Strömen. Ich zögerte nicht lange herum und entschied mich, mein Auto aus Conca nach Tattone zu holen. Das war ein weiter Weg, denn ich musste erst nach mit dem Zug nach Bastia und dann mit dem Bus nach Porto Vecchio. Es klappte aber alles ganz gut, ich stieg in St. Lucie aus und fuhr mit einem Sammeltaxi nach Conca. Übernachtet habe ich auf einem Campingplatz in Conca.
Am 2. Tag regnete es in den Bergen immer noch sehr heftig. An der Küste nahe Porto Vecchio schien aber die Sonne. Also blieb ich an der Küste und genoss das herrliche Wetter.
Auch am 3. Tag lagen die Berge noch in einer Wolkendecke verhüllt. Ich hörte den Wetterbericht, der von einem Ende der starken Regenfälle sprach und so entschied ich mich, nach Tattone zu fahren und morgen die Wanderung fortzusetzen. Doch ich übernachtete nicht in Tattone sondern in Ghisoni in der Gite d´etape. Dort konnte ich mir das WM Spiel Brasilien gegen Mexico anschauen.
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